Jede in ihrer Mobilität und Bewegungsfähigkeit eingeschränkte Person kann einen Dekubitus entwickeln. Häufig aber nicht ausschließlich betroffen sind ältere, bettlägerige Menschen. Bei ihnen ist das Risiko des Wundliegends besonders hoch. Aber auch junge Pflegebedürftige, Kinder im Rollstuhl, mit Lähmungen oder schlecht sitzenden Prothesen können betroffen sein.

Ein Dekubitus ist KEIN unabwendbares Schicksal!

Experten aus Medizin und Pflege gehen davon aus, dass 95 % aller Dekubitus vermeidbar wären. Würde das Risiko rechtzeitig erkannt, würden die entsprechenden pflegerischen Maßnahmen mit Unterstützung der richtigen Hilfsmittel umgesetzt.

So weit zur Theorie. In der Praxis bestehen eine Reihe von Stolpersteinen, die trotz allem Wissen zur Entwicklung von Druckgeschwüren führen.

Stolpersteine

Die Situation in der stationären und ambulanten Pflege Deutschlands zeigt deutlich, warum es trotz umfangreichem Wissens um Dekubitus, ihre Vermeidung und ggf. Versorgung immer wieder zur Entstehung solcher chronischer Wunden kommt. Kenntnisse werden zwar in vielen Fachbüchern, Expertenstandards und internationalen Leitlinien veröffentlicht. Nur scheinbar kommt das Wissen nur selten dort an, wo es wirklich gebraucht wird. In der Pflege.

Oft fehlt es tatsächlich an der Kommunikation und Abstimmung zwischen Pflegekräften, Ärzten, Krankenkassen und Hilfsmittellieferanten. Immer wieder wird der durch die kostenminimierende Praxis der Krankenkassen entstehende Zeitmangel als Argument vorgebracht. Die Pflegekräfte eines ambulanten Pflegedienstes zum Beispiel können innerhalb der von den Krankenkassen honorierten Zeit bei noch so großem persönlichen Engagement nicht alles leisten, was die Vorbeugung von Dekubitus erfordert. Angefangen von der oft recht aufwändigen Kommunikation mit Ärzten, Krankenkassen und Hilfsmittellieferanten bis hin zu Positionsänderungen und Umlagerungen aller vier Stunden oder ggf. häufiger.

Im 4. Pflege-Qualitätsbericht des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. (MDS) über die Situation im Jahr 2013 heißt es:

Dekubitus in der stationären Pflege

  • Bei 43,3 % der in die Prüfung einbezogenen Pflegebedürftigen in der stationären Pflege bestand ein Dekubitusrisiko. Die entsprechenden pflegerischen Maßnahmen und Hilfsmittel wären notwendig gewesen.
    • Bei knapp einem Viertel (24,4 %) dieser Betroffenen wurden jedoch bewegungsfördernde Maßnahmen nicht in erforderlichem Maße durchgeführt. Regelmäßige Hautinspektionen unterblieben, entsprechende Hilfsmittel zur Druckentlastung wurden nicht eingesetzt.
    • Ob die bei den verbleibenden 75,6 % der betroffenen Pflegebedürftigen durchgeführten Maßnahmen die richtigen waren und ob sie richtig durchgeführt wurden, wurde nicht geprüft.
  • 21 % der Pflegebedürftigen mit einer chronischen Wunde (einschließlich Dekubitus), bei denen die Qualität der Wundversorgung beurteilt werden konnte, wurden nicht nach dem aktuellen Stand medizinisch-pflegerischer Wissenschaft und Technik gepflegt.

Dekubitus in der ambulanten Pflege

  • Ein Dekubitusrisiko und damit Beratungsbedarf bei den Betroffenen und Angehörigen über Risiken, erforderliche Maßnahmen und Hilfsmittel bestand bei 32,6 % der in die Prüfung einbezogenen Pflegebedürftigen.
    • Bei 26,5 % erfolgte dies nicht nachvollziehbar.
    • 17,7 % der Betroffenen mit einem Dekubitusrisiko wurden noch nicht einmal über die Notwendigkeit gewebeschonender Positionierungs- bzw. Lagerungsmaßnahmen informiert, geschweige denn bei ihrer Umsetzung unterstützt.
  • Bei nur 5,5 % der Pflegebedürftigen mit einer chronischen Wunde (einschließlich Dekubitus) lag überhaupt eine ärztliche Verordnung vor.

Im Interesse Ihres Angehörigen: Beteiligen Sie sich!

Sicher, rein rechtlich sind die Pflegekräfte, Ärzte, Krankenkassen und Hilfsmittellieferanten in der Pflicht. Doch im Interesse Ihres Angehörigen bedarf es Ihrer Unterstützung.

Bewahren Sie Ruhe. Verzweifeln Sie nicht. Ein Dekubitus ist wirklich kein unabwendbares Schicksal. Sie können, mit der richtigen Anleitung, viel für Ihren Angehörigen tun. Wir unterstützen Sie mit unserer Internetseite für Betroffene gerne dabei.

Informieren Sie sich. Setzen Sie sich als pflegender Angehöriger oder Bezugsperson mit dem Thema Dekubitus auseinander. Informieren Sie sich darüber, was ein Dekubitus ist, wie er entstehen kann. Lernen Sie durch Schulung und Anleitung, wie Sie zum Beispiel Mobilität und Bewegungsfähigkeit Ihres Betroffenen fördern, ihn durch druckentlastende Lagerungsmaßnahmen und mit den richtigen Hilfsmitteln unterstützen können. Was bei Ernährung, Hautreinigung und -pflege, bei der Hautinspektion zu beachten ist.

Sprechen Sie mit Ihren Pflegekräften und dem (Haus-)Arzt. Es ist kein böser Wille, der einer kompetenten Dekubitusvorbeugung und ggf. -versorgung im Wege steht. Meist ist es fehlendes Wissen, sind es zeitliche Rahmenbedingungen der Pflegekräfte und Ärzte. Stimmen Sie miteinander ab, wer welchen Beitrag leisten kann bzw. muss und auch tatsächlich leistet.

Fordern Sie Ihr Recht. Beantragen Sie gemeinsam mit Ihrem (Haus-)Arzt unterstützende Maßnahmen und entsprechende Hilfsmittel, die Sie vorab mit den Pflegekräften abgestimmt haben. Nehmen Sie Verzögerungen oder Ablehnungen von Krankenkasse oder Hilfsmittellieferant nicht einfach hin. Fragen Sie nach, bohren und argumentieren Sie. Machen Sie Druck, um den Druck bei Ihrem Pflegebedürftigen zu nehmen.

Mobilisieren Sie Ihren Pflegebedürftigen. Das beste Mittel gegen einen Dekubitus ist Bewegung. Animieren Sie Ihren Pflegebedürftigen, Dinge so weit möglich selbst zu tun. Den Becher selbst zu halten, sich im Bett aufzurichten. Sich auf die Bettkante zu setzen, aufzustehen. Bei gutem Wetter mit dem Rollstuhl gemeinsam die Gegend zu erkunden.

Nehmen Sie Ihrem Pflegebedürftigen so viel wie nötig aber so wenig wie möglich ab. Unterstützen Sie ihn vielmehr dabei, selbst etwas zu tun. Jede kleine, eigenständige Bewegung hilft, einen Dekubitus zu vermeiden. Und gibt Ihrem Angehörigen das Gefühl, selbst etwas zu können, etwas zu erreichen.

Unterstützen Sie die Pflegekräfte. Wenden Sie Ihr Wissen in der täglichen Pflege an. Druckentlastende Lagerungsmaßnahmen zum Beispiel sind kein Zauberwerk.

Holen Sie sich Unterstützung. Von Angehörigen und Freunden. In Gesprächs- und Selbsthilfegruppen. Gerne auch von uns.

Ausnahmefälle

Nur in wenigen Ausnahmefällen entwickelt sich ein Dekubitus tatsächlich schicksalhaft. Bei Pflegebedürftigen mit sehr schlechtem Allgemeinzustand oder bestimmten Grunderkrankungen sind druckentlastende oder -verteilende Maßnahmen nahezu unmöglich, würden die eigentlichen Therapie- und Behandlungsziele gefährden. Unter Umständen entstehen so großflächige Druckgeschwüre, oft mehrere gleichzeitig. In manchen Fällen geht es um die Begleitung des Sterbens. Ohne Hoffnung darauf, einen Dekubitus verhindern oder einen einmal entstandenen heilen zu können.

Im Vordergrund steht dann die verbleibende Lebensqualität. Die pflegerischen und medizinischen Maßnahmen orientieren sich zum Beispiel an der palliativen Versorgung.

In allen anderen Fällen können mit Ihrer Unterstützung Dekubitus verhindert und ggf. behandelt werden.

Sie benötigen Unterstützung bei der Dekubitusvorbeugung oder -versorgung
Ihres Angehörigen?