Steigende Fallzahlen bei Dekubitus

Wir beauftragten das Marktforschungsunternehmen für das Gesundheitswesen DRG Market in Osnabrück mit der Untersuchung der Fallzahlen bei Dekubitus. Im Special Dekubitushilfsmittel des MTDialog 5/2015 wurde die hier zitierte Zusammenfassung der 25 Seiten umfassenden Studie veröffentlicht.

2015 08 Studie Fallzahlen DekubitusObwohl Dekubitus nach Meinung von Pflegefachexperten wie Armin Hause, Dekubitus-Beauftragter der Charité, zu 99 Prozent als vermeidbar gilt, nahmen die Fallzahlen in den letzten Jahren stark zu. … Nicht nur die Fallzahlen haben zugenommen, sondern auch die Schweregrade. Erklärbar ist dies nicht allein durch die demografische Entwicklung.

Die vorliegende Analyse umfasst Berechnungen und Auswertungen zu der Entwicklung der Prävalenzzahlen für die Diagnose Dekubitus (ICD L89.-) im Zeitraum 2007 bis 2013. Die Erkrankungszahlen wurden auf Ebene der Bundesländer ausgewertet und alters- und geschlechtsspezifisch den sechs Hauptgruppen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zugeordnet. Weiterhin wurde eine Altersstandardisierung der rohen Prävalenzzahlen durchgeführt.

Die Auswertungen basieren im Wesentlichen auf den Daten der vollstationären Patienten im DRG-Sektor sowie den publizierten Daten zu Erkrankungshäufigkeiten durch das Wissenschaftliche Institut der Ortskrankenkassen (WIdO).

Stationäre Fallzahlen Dekubitus

Im Zeitraum von 2007 bis 2013 sind die Fallzahlen für stationäre Patienten mit einer Hauptdiagnose (= Behandlungsanlass) ICD L89.- um 35 Prozent auf insgesamt 13.400 Fälle gestiegen. Dabei entfielen im Jahr 2007 89 Prozent der Behandlungsfälle auf die Schweregrade 3 und 4; im Jahr 2013 stiegt dieser Anteil auf 91 Prozent. Insgesamt sind sowohl die Fallzahlen als auch Schweregrade der behandelten Patienten mit Hauptdiagnose gestiegen. Der Fallzahlanstieg fiel in den 16 Bundesländern sehr unterschiedlich aus. Er reicht von plus 5 Prozent im Saarland bis zu plus 80 Prozent in Schleswig-Holstein.

Die Zahl der Patienten mit einer Nebendiagnose L89.- (= Komorbiditäz Dekubitus) hat sich von 2007 bis 2013 um 55 Prozent erhöht. In demselben Zeitraum hat sich die Zahl der stationären Patienten lediglich um 9 Prozent erhöht. In allen Altersgruppen ab dem 45. Lebensjahr lag der Anstieg der Häufigkeit für die gestellten Nebendiagnosen L89.- um 20 bis 50 Prozentpunkte über der relativen Entwicklung der Patientenzahlen der entsprechenden Altersgruppen. Dieses ist ein deutlicher Hinweis auf eine zunehmende Anzahl von Patienten mit Dekubitus sowohl im Krankenhaus als auch im ambulanten Sektor.

Für das Jahr 2013 lässt sich zeigen, dass ca. 189.000 Patienten mit einem bereits bestehenden Dekubitualgeschwür Grad 2 bis 4 oder Grad o.A. stationär aufgenommen wurden. Während des stationären Aufenthaltes entwickelten zusätzlich 74.000 Patienten in der Altersgruppe ≥ 20 Jahre ein Dekubitalgeschwür Grad 2 bis 4 oder Grad o.A. Dieses entspricht einer rohen Inzidenz von 463 Fällen/100.000 Patienten und einer Prävalenzraten von 1,6 Prozent. Die rohe Prävalenzrate – bezogen auf alle Altersgruppen und alle Schweregrade – beträgt im Krankenhaus 2,1 Prozent. Die Patienten mit nosokomial erworbenen Deubitalgeschwüren weisen mit 80 Prozent Anteil Grad 2 einen deutlich geringeren Schweregrad im Vergleich mit den Patienten mit bestehendem Dekubitus bei Aufnahme auf (50 % Grad 2).

Prävalenzzahlen Dekubitus und regionale Unterschiede

Die berechneten Prävalenzzahlen beziehen sich auf die Anzahl Patienten, mit einer oder mehrfach ärztlich dokumentierter Dekubitus-Diagnose in dem jeweiligen Kalenderjahr, unabhängig von einer einfachen oder mehrfachen Lokalisation. Die durchschnittliche Anzahl der parallel auftretenden Geschwüre an mehreren Lokalisationen beträgt rechnerisch 1,2 Diagnosen pro Patient. Dominierend sind die Schweregrade 1 (33 %) und 2 (40 %).

Die rohe Prävalenz ist rechnerisch um 31 Prozent von 342.000 Patienten im Jahre 2007 auf 447.000 Patienten im Jahre 2013 gestiegen. Dieses beinhaltet eine gestellte Diagnose jeglichen Schweregrades inkl. Dekubitus-Grad ohne Angabe.

Die regionale Zunahme auf Ebene der Bundesländer war sehr unterschiedlich ausgeprägt und reicht von einer Stagnation der Patientenzahl im Bundesland Saarland bis zu einem Anstieg um 89 Prozent im Bundesland Schleswig-Holstein.

Um eine Vergleichbarkeit der Daten zu gewährleisten, wurde für die Fallzahlen eine Altersstandardisierung durchgeführt. Danach ist bundesweit sowohl die Anzahl der Patienten mit Dekubitus-Diagnose um 31 Prozent gestiegen als auch die altersstandardisierte Prävalenzrate. Diese belief sich im Jahr 2007 auf 332 Fälle/100.000 Einwohner und ist 2013 auf 394 Fälle/100.000 Einwohner gestiegen. Der Anstieg beträgt bundesweit 19 Prozent. Dieser Befund ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass der Anstieg der Prävalenzzahlen nicht ausschließlich demografisch begründet ist, sondern zusätzlich gerade in den höheren Altersgruppen eine kontinuierliche Zunahme der Dekubitus-Fälle stattgefunden hat. Diese Hypothese wird auch durch die altersspezifische Auswertung der Kodierungen für die Nebendiagnose L89.- im Krankenhaussektor gestützt.

Leistungsempfänger mit Pflegestufe

Im Zeitraum 2007 bis 2013 ist die Zahl der Leistungsempfänger in der gesetzlichen Pflegeversicherung im 22 Prozent auf 2,48 Millionen deutlich angestiegen. Davon entfallen 289.000 Personen auf die Pflegestufe III. Von den Personen in dieser Pflegestufe werden ca. 50 Prozent stationär versorgt. Mit dem Bezugsjahr 2007 als Index = 100 ergibt sich bis zum Jahr 2013 ein Indexanstieg auf 113 Prozent. Im Vergleich dazu ist der Index für die Dekubitus-Prävalenz auf 131 Prozent gestiegen.

Fazit

Basierend auf den Daten der AOK-Patienten (ca. 24 Mio. Patienten, Publikation WIdO) und deren extrapolierten Fortschreibung sowie der Auswertung der DRG-Statistik (ca. 2,5 Mio. Datensätze zu ICD L89.-) ergibt sich ein deutlicher Anstieg der Zahlen für Patienten mit einem Dekubitus. Die Zunahme ist weder durch die demografische Veränderung noch durch den Anstieg der Anzahl der Pflegebedürftigen zu erklären. Bei einer Verteilung von ca. 74.000 nosokomial im Krankenhaus erworbenen Dekubitus-Fällen und ca. 50.000 Fällen in der stationären Pflege entfallen im Jahr 2013 ca. 323.000 Patienten mit Dekubitus-Genese auf den ambulanten Sektor.