Der Bewegung auf der Spur

Sensorgestütztes Mobilitätsmonitoring entlastet Plegekräte und gibt ihnen mehr Sicherheit bei der Prophylaxe. Das zeigt ein Praxistest in Herdecke.

Text: Patrick Kolb | Veröffentlicht in Altenpflege.Vorsprung durch Wissen

2015 01 Altenpflege MobilityMonitorFür die Planung individueller Maßnahmen zur Dekubitusprävention oder zur Mobilitätsförderung ist es wichtig, die Ressourcen und Fähigkeiten eines Plegebedürtigen zu erkennen und zu analysieren. Bisher waren Pflegende auf ihre Beobachtung und die daraus resultierende Einschätzung angewiesen.

Doch welcher Bewohner kann im Pflegealltag bei mangelnder Personaldichte und immer weniger Zeit für den Einzelnen schon rund um die Uhr, und vor allem nachts, beobachtet werden?

An Hochschulen und Instituten sind verschiedene technologiebasierte Instrumente zur Unterstützung der Pflege entwickelt worden, wie der Mobility Monitor. Er besteht aus einer Sensoreinheit, die unter der Matratze fixiert wird, und einem Handgerät am Bettrand. Im laufenden Betrieb zeigt die Technik per Ampelsystem und mittels Warnungen über den Lichtruf an, wann der Pflegebedürtige wegen ausbleibender Eigenbewegungen umgelagert werden sollte. Das System verfügt zudem über eine Bettausstiegswarnung.

Schlafverhalten einschätzen

Für die Pflegeplanung können die Bewegungsdaten auf den PC im Stationszimmer übertragen werden. Eine Software visualisiert das Mobilitätsprofil des Bewohners übersichtlich. Daraus sind Rückschlüsse auf das Schlafverhalten des Bewohners und die Wirkung von Medikamenten auf Mobilität und Schlafverhalten möglich. Diese Informationen fließen in die Maßnahmenplanung ein.

Anwendungsbeobachtung GVS Herdecke Seniorendienste

In einer sechswöchigen Anwendungsbeobachtung in der GVS Herdecke Seniorendienste wurden 2013 die Daten von zwölf Bewohnern ausgewertet. Bei ihnen wurden wegen der eingeschätzten Mobilitäts- und Risikosituation pflegerische Maßnahmen im Bereich der Dekubitus- und Sturzprophylaxe bereits durchgeführt. Ziel war festzustellen, ob das Mobilitätsmonitoring den Pflegeprozesses positiv verändern kann.

In dem in zwei Phasen unterteilten Projekt wurden über 30 Tage Daten aufgezeichnet und verglichen:

In der siebentägigen Projektphase 1 haben die Verantwortlichen die vorgesehenen Maßnahmen weiter nach der aktuellen Pflegeplanung durchgeführt und dokumentiert.

  • Der Mobility Monitor wurde installiert, die Datenaufzeichnung gestartet, und die Daten wurden täglich ausgelesen und analysiert, aber nicht in der Pflegeplanung berücksichtigt.
  • Die Pflegekräfte inspizierten die Haut täglich und veränderten die laufenden Pflegemaßnahmen nur dann, wenn sie dies auf Basis ihres bisherigen Assessments für nötig hielten.

Zum Ende der ersten Projektphase wurde für jeden Bewohner festgestellt, ob die Maßnahmen dem tatsächlichen Bedarf entsprechen, der sich aus den Daten ergibt. Anschließend wurde die Pflegeplanung an die gewonnenen Erkenntnisse angepasst.

Zu Beginn der zweiten Phase haben die Projektbetreuer die Auswertungen dem Pflegeteam vorgestellt und sie in der Bedienung des Gerätes und der Software geschult.

  • Die Mobilitäts- und die Bettausstiegswarnung wurden aktiviert.
  • Lagerungsmaßnahmen fanden nur statt, wenn das System ein Warnsignal sendete.
  • Die Daten wurden in die Software übertragen, bewertet und in der Pflegeplanung berücksichtigt.

Auch in der zweiten Phase hat das Pflegeteam die Haut der Betroffenen inspiziert: An den Fallbeispielen zur Beurteilung des Dekubitusrisikos und zum Einfluss von Medikamenten auf die Bewegungsfähigkeit wird deutlich, wie die Datenanalyse zu einer Verbesserung der Pflegesituation führt.

Beispiele

  • Eine Bewohnerin mit stark eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten wurde nachts dreistündlich mit gängigen Positionierungshilfsmitteln gelagert. Denn das Pflegeteam hatte ihr druckentlastende Eigenbewegungen nicht zugetraut. Über den gesamten Messzeitraum bestand eine gleichbleibend hohe Mikroaktivität. Die Auswertung der Daten legte nahe, dass die Bewohnerin größere Bewegungen ausführen kann, diese aber durch zu viele Lagerungskissen und eine bewegungseinschränkende Schaumstoffmatratze behindert wurden. Durch den Verzicht einiger Lagerungshilfen konnte die Mobilität gesteigert werden. Ergebnis: weniger schlafstörende Lagerungswechsel.
  • Bei einem männlichen Patienten stellte sich nach Auswertung der Daten heraus, dass eine Dekubitusprophylaxe wegen seiner Bewegungsfähigkeit überflüssig war.